Am Dienstag 02.08. ist es soweit, ein grosser Traum soll in Erfüllung gehen. Alles stimmt, wir sind gesund und einigermassen fit und das Wetter sollte für die nächsten drei Tage trocken und stabil schön bleiben. Auch Loris hat sich spontan entschlossen mitzukommen und so fahren wir mit vielen ???? nach Saas Fee, etwas beschwipst durch einen Cocktail aus grosser Vorfreude, einem Schuss Nervosität und einer riesigen Portion Respekt bis hin zu einer Prise Angst.
"Wieso tun wir uns das nur an?"
Am Parkplatz Saas Fee werden wir vom Hotelbesitzer persönlich mit dem Elektromobil abgeholt. Wir übernachten im Hotel Carpe Diem, einem kleinen, freundlichen und sehr zu empfehlendem Familienbetrieb. Unser Zimmer dürfen wir über die ganzen drei Tage behalten, bezahlen jedoch nur die zwei anwesenden Nächte.
Letzte Vorbereitungen werden getroffen. Wir holen die noch fehlenden Utensilien bei unserem Bergführer Michi ab und überprüfen unser Material ein letzes Mal.
Aufstieg zur Mischabelhütte
Mittwoch 03. August 2016
1. Tag:
Distanz: 4,220 km
Aufstieg: 1036 m
Abstieg: 69 m
Am Mittwochmorgen gehts los.
Nach einem feinen Frühstück machen wir uns mit dem schwerbepacktem Rucksack auf den Weg. Die ersten gut 400 Höhenmeter schenken wir uns und gondeln gemütlich von Saas Fee 1809 m zur Hannig 2245 m.
Begleitet von strahlendem Sonnenschein wandern wir von der Hannig auf gut ausgebautem Wanderweg Richtung Mischabelhütte.
Ab 2900m führt uns der Weg über den Schwarzhorngrat. Dieser letzte Teil des Hüttenanstiegs kann als leichter Klettersteig bezeichnet werden. Jeder Schritt muss sicher sitzen und uns wird höchste Konzentration abverlangt. Der Steig ist aber sehr gut markiert und mit Klammern, 600 m Drahtseil und Leitern gesichert. Eine fantastische Aussicht auf all die 4000er Riesen belohnen unsere Strapazen.
Wir spüren aber die grosse Höhe recht intensiv und kommen dadurch nur recht langsam vorwärts.
Jeder Schritt kostet, Blasen machen sich langsam bemerkbar und erfordern Pflege, der Schweiss rinnt nur so an uns runter und der Rucksack drückt schwer. Wieder fragen wir uns: "Wieso tun wir uns dies nur an?"
Nach gut 4 Stunden erreichen wir unser erstes Etappenziel.
Die Mischabelhütte liegt auf einer Höhe von 3334 m und ist die dritthöchstgelegene SAC Hütte der Schweiz. Sie steht exponiert zwischen Hohbalm- und Fallgletscher auf einer schmalen Felsrippe (Ausläufer des Ostnordostgrats der Lenzspitze).
Bei der Anmeldung erfahren wir, dass wir anderntags bereits um 4 Uhr zum Frühstück erwartet werden. Deshalb legen wir uns für knappe 2 Stunden hin und dösten ein bisschen auf Vorrat.
Kurz vor dem Nachtessen, welches um 18:30 Uhr serviert wird, gibt es ein herzliches Wiedersehen mit Michi Schwarzl, unserem bereits bekannten Bergführer.
Nach dem feinen 3 Gang Menue (Spargelsuppe, Kartoffelstock mit einem Stück Fleisch und Mischgemüse und zum Dessert Milchreis mit Früchten) geniessen wir noch den atemberaubenden Sonnenuntergang und legen uns anschliessend schlafen.
Aufstieg zum Nadelhorn
Donnerstag 04. August 2016
2. Tag
Mischabelhütte - Nadelhorn
Distanz: 2.640 km
Aufstieg: 970 m
In unserem sehr gut besetztem Schlafraum (ca. 15 Liegen auf engstem Raum) finden wir diese Nacht kaum Schlaf. Bereits um 2 Uhr erwache ich mit den ersten Tourengängern und an ein Weiterschlafen ist nicht mehr zu denken.
Nach dem Frühstück (4:00 Uhr) kletteren wir mit Stirnlampe bewaffnet los. Bis zum Hohbalmgletscher ist ein felsiger Weg zurückzulegen, der ca. nach 45 Minuten erreicht wird. Bereits beginnt es langsam zu tagen und wir montieren die
Steigeisen. Während des Aufstiegs zum Windjoch 3850 m geniessen wir die ersten wärmenden Sonnenstrahlen.
Über einen Schnee-Felsgrat geht es weiter Richtung Gipfel.
Kurz vor dem Gipfel errichten wir ein Pickeldepot und stehen dann schon bald vor dem Gipfelaufbau (Uebergang des Grates von Schnee zu Fels).
Von jetzt an wird der Gipfel des Nadelhorns (immer noch mit Steigeisen) in Kletterei (II Grad) erreicht.
Nur noch wenige Meter trennen uns von dem 4327m hohen Gipfel. Kurz vor diesen letzten Metern verkündige ich, dass ich keinen Meter mehr weiter gehe. Das Gelände ist mir zu ausgesetzt, die Kletterei mit Steigeisen auf Felsen erscheint mir unmöglich und dazu kommt noch der rege Verkehr am Gipfel.
Michi lässt sich aber nicht erweichen und es gibt für alle nur ein Vorwärts. In dem Moment stellt sich einmal mehr die Frage: " Wieso tun wir uns das nur an?"
Mit Michis Hilfe schaffen wir den Aufstieg widererwartet gut.
Das Nadelhorn erweist seinem Namen alle Ehre. Der Platz oben am Gipfel ist so knapp bemessen, dass ein Gipfelfoto nur schwer möglich wird. Zu dritt drängen wir uns ums Gipfelkreuz und lachen stolz in Michis Natel. Für kurze Zeit geniessen wir
das atemberaubende 360° Panorama, welches nur durch die Lenzspitze und den Dom unterbrochen wird. - Einfach herrlich!
Abstieg
Nadelhorn - Saas Fee
Distanz: 4,480 km
Aufstieg: 70m
Abstieg: 2006m
Nach 2-3 Minuten Gipfelgenuss heisst es auch schon wieder absteigen. Erstens ist der Platz so knapp, dass man sich kaum bewegen kann, zweitens wird einem kalt, wenn man zu lange Pausen macht und drittens warten schon andere Bergsteiger auf das Gipfelfoto.
Mit den Steigeisen klettern wir den Fels hinunter, immer wieder begleitet von Michis Worten: "Die Steigeisen halten euch schon! Gebt Vorlage! Tretet sicher und mit allen Zacken auf!"
Im Windjoch 3845 m machen wir eine wohlverdiente, kurze Pause.
Danach geht es wieder zurück über den Hohbalmgletscher zur Mischabelhütte, wo wir versuchen unsere Batterien aufzutanken und neue Kräfte für den Hüttenabstieg zu sammeln.
Nach dem ca. 1 stündigen Rast in der Hütte nehmen wir den letzten, beschwerlichen Abstieg unter die Füsse, nun wieder mit dem vollbepackten Rucksack.
Da wir bereits recht müde sind und unsere Beine und Muskeln nicht mehr die fitesten sind, gestaltet sich der Abstieg länger als erhofft und es stellt sich bald die Frage, mögen wir noch auf die letzte Hannig-Gondel um 16:30Uhr oder müssen wir am Ende bis nach Saas Fee wandern?
Eine gute Viertelstunde vor Betriebsschluss erreichen wir überglücklich die Hannigbahn.
Unten in Saas Fee haben wir uns ein kühles Bier verdient!
Die uns begleitende Frage, warum wir uns dies nur antun, beantworten wir einstimmig:
- Weil wir die Bergwelt lieben und sie da oben einfach noch einzigartiger ist!
- Weil wir durch die gemachten Grenzerfahrungen uns besser kennenlernen.
- Weil wir nach einer solch grossartigen Leistung stolz auf uns sein können und dies wiederum unser Selbstvertrauen enorm stärkt.
- Weil es ein wunderbares Gefühl ist, mit seinen liebsten Menschen so eng verbunden zu sein. Es schweisst noch mehr zusammen, da wir uns 120% auf einander verlassen können/müssen.
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