Lake Eyasi / Besuch zweier Naturstämme (16.10.2016)


Besuch bei den Hadzabe

Noch vor dem Frühstück um ca. 5:00 Uhr fahren wir los. Unser Ziel?..... irgendwo im Nirgendwo, da wo die Hadzabe zu Hause sind.

Auf halbem Weg stösst ein in der "Zivilisation" lebender Hadzabe zu uns. Er wird uns zu seinem Stamm führen und uns ihre spezielle Klicksprache ins Englische übersetzen.

Die Lehmhütten werden immer weniger, die sandigen Fahrwege weicher und unpassierbarer. Zivilisation scheint es kaum mehr zu geben und die Landschaft wirkt zusehends lebensfeindlicher.

Dann plötzlich ....... wir sind da!


 

 

 

Die Szenerie wirkt ein bisschen wie extra für uns inszeniert.

 

Bei einigen Felsen sitzen rund um ein Feuer ein paar Männer auf dem Boden.

 

Sie bearbeiten Pfeile, rauchen Marihuana mit einer aus Speckstein gefertigten Pfeife und unterhalten sich in ihrer eigentümlichen Klicksprache.

Ihre Haut ist sehr dunkel, die Haare wenige Millimeter kurz. Alle tragen sie zerrissene Kleider und staubige, ausgelatschte Sandalen (zum Teil aus alten Reifen).


Mit festem Handschlag und suveränem Blickkontakt werden wir von den Männern freundlich begrüsst. 

Im Gegensatz zu den Massai schauen uns die Hadzabe in die Augen, wenn sie mit uns sprechen.


 

 

Einer der Männer zeigt uns wie er flink ein Feuer entfacht. Dazu dreht er einen Holzstab zwischen seinen Händen in ein trockenes Stück Holz, welches auf einem Messer liegt. Kräftig  reibt er, bis feiner Rauch entsteht. Dann wird der glühende Abrieb zwischen trockene Grasbüschel gelegt. Nach kurzem Anblasen steigen kleine Flammen auf und bald schon prasselt ein Feuer.

 

Einige Infos zu den Hadzabe

Die Hadzabe/ auch Hadza genannt sind das letzte Jäger- und Sammlervolk Ostafrikas. Ihre Zahl wird aktuell auf ca. 700 geschätzt. Sie leben verstreut im Nordosten von Tansania an den Ufern des Eyasi - Sees  in einem unzugänglichen und wenig fruchtbaren Gebiet von etwa 1.500 Quadratkilometern. Hier konnte sich die beinahe altsteinzeitliche Lebensweise bis heute weitgehend erhalten.

 

Die Hadzabe sind klassische Jäger und Sammler. Sie leben von Beeren, Wurzeln, Honig und dem mit Pfeil und Bogen erlegten Wild. Die Buschleute sind frei; sie besitzen fast nichts, halten keine Tiere und legen keine Vorräte an. Wenn die Nahrung knapp wird, ziehen sie in eine andere Gegend.

Die zum Leben notwendigen Dinge wie Waffen, Behausungen und Hausrat werden ausschliesslich aus Materialien gefertigt, die das natürliche Umfeld liefert. Die Hadzabe leben in Familienverbänden in sehr einfachen grasbedeckten Rundhütten. Diese werden von den Frauen aus Zweigen errichtet, die in die Erde gesteckt, gebogen und verflochten werden. Sie sind nicht grösser als 3 Meter im Durchmesser und so niedrig, dass man sich darin bücken muss.

Die Frauen und Männer haben unterschiedliche Aufgaben. Während die Männer auf die Jagd gehen, pflücken die Frauen Beeren, sammeln die Früchte der Affenbrotbäume und graben Wurzeln und Knollen aus. Die Frauen sind auch zuständig für die Errichtung der Hütten und sie fertigen Schmuck aus Perlen an.

Die Männer betreiben gelegentlich Handel mit den Nachbarn.

Bis heute haben sich die meisten Hadzabe der sogenannten Zivilisation bewusst und konsequent verweigert. So scheiterten auch verschiedene Versuche der Regierung, die Kinder einzuschulen. Trotzdem wird es wohl eine Frage der Zeit sein, bis sie zur Aufgabe ihrer traditionellen Lebensweise gezwungen werden, um überleben zu können. Durch die Zuwanderung anderer Volksstämme ins Eyasi-Gebiet – Nomaden mit Viehherden sowie Ackerbauern – werden die Wildtiere, die Ernährungsgrundlage der Hadzabe, vertrieben.

Der Baobab (Affenbrotbaum) ist für Mensch und Tier in den Trockengebieten Afrikas sehr wichtig. Viele Tiere ernähren sich von seinen Blättern, Blüten und Früchten. Menschen, so auch die Hadzabe, stellen Nahrung, Kleidung, Medikamente und andere nützliche Erzeugnisse aus dem Baobab her.

Der voluminöse und oft ausgehöhlte Stamm bietet Schutz vor Unwettern oder anderen Gefahren der Savanne.

Während der Regenzeit wohnen die Hadzabe oft in diesen Baumhöhlen (Durchmesser bis ca. 10m).

Solche hohlen Stämme entstehen sowohl natürlich als auch durch Menschenhand. Der Baum wächst trotz eines ausgehöhlten Stammes weiter und trägt auch weiterhin Früchte.


Jagd der Hazabe

Zuerst erhalten wir Pfeilkunde. Die Männer zeigen uns stolz ihre unterschiedlich gefertigten Pfeile.

Der Pfeil mit dem Maiskolbenstück an der Spitze, dient der Vogeljagd

Der Pfeil mit der kleinen Eisenspitze dient zur Jagd von Kleinwild

und der Pfeil mit der grossen Spitze dient zur Jagd von Grosswild, wie z.B. Impalas, Paviane, Zebras usw. Bei ihm ist die Eisenspitze zusätzlich mit einer festen, giftigen Masse bestrichen. Wenn sich daran jemand verletzt, stirbt er innert weniger Stunden.

 

 

An diesem dicken Baobab - Baumstamm hängen an eingeschlagenen Stöckchen Pfeil und Bogen, welche für die Jagd benötigt werden, sowie einzelne Trophäen bereits erlegter Tiere.

 

Neben den Buschleuten, die ganz ohne Ballast unterwegs sind, komme ich mir mit meiner Bauchtasche, dem Fototapparat,  und den festen Schuhen wie eine Ausserirdische vor.

 

Wir begleiten eine Gruppe junger Männer auf ihrer morgendlichen Jagd.

Mit Bogen und einigen Pfeilen ausgerüstet schreiten die Jäger in einem schnellen "Schleichschritt" voraus. Dazwischen die Hunde, die aufgeregt um uns herum rennen. Wir versuchen den schnellen und wendigen Jägern zu folgen. Die Männer bewegen sich geschickt zwischen den Büschen hindurch (Wege gibt es keine), während ich immer wieder an den Büschen mit ihren Dornen hängen bleibe. Trotz langer Hosenbeine bohren sich einige dieser kleinen, spitzigen Dornen schmerzhaft in meine Beine.

Die Jäger verteilen sich immer wieder und halten getrennt nach Beute Ausschau. Ich beobachte den vor uns gehenden Jäger. All seine Sinne sind angespannt, er scheint jede Bewegung zu registrieren. Dann plötzlich duckt er sich, sein Bogen ist gespannt und es dauert nicht lange, da sehe ich, wie ein Vogel aus dem Unterholz davon flattert. Unglaublich, wie die Jäger jede Bewegung und jedes Geräusch wahrnehmen.

Als ob sie sich abgesprochen hätten, stehen wie aus dem Nichts plötzlich wieder alle 4 Jäger vor uns ........

da, ........ plötzlich ist ein Rascheln zu hören. Marcel erkennt zwischen den Zweigen ein Impala. Die Jäger gehen dem Tier kurze Zeit nach  ...... kommen dann aber mit leeren Händen zurück.

Hier befinden wir uns in einem ausgetrockneten Flussbett am Ostafrikanischen Grabenbruch.

Einer der Jäger präsentiert uns stolz einen Vogel, den er wohl eben erlegt hat.

Er nimmt ihn vom Pfeil und steckt ihn an seinen Hosenbund. Taschen oder Säcke haben die Jäger keine bei sich.

Und weiter geht es.

Eine für mein Empfinden etwas chaotische Hetzjagd beginnt. Nun werden Eichhörnchen, die sich in den Büschen entlang des Flussbetts aufhalten gejagt.


Mit Ausnahme des erlegten Vogels bleibt die Jagd für diesen Morgen erfolglos und nach gut 2 Stunden kehren wir zurück in das Lager.

Wenige Schritte von den Frauen entfernt, die im Schatten Perlen zu Ketten auffädeln, spielen die kleineren Kinder.

Ich lasse den Blick schweifen und mir wird klar: Die Szene vor mir, die ist echt. Dies ist das Alltagsleben der Hadzabe-Buschleute.

Die Lebensweise dieser Buschleute beeindruckt mich zutiefst. Diese Menschen hier jagen seit Jahrtausenden mit Pfeil und Bogen, wohnen in simplen Grashütten, kennen die Wirkung der Pflanzen und leben ohne Besitztümer sehr friedlich und in totalem Einklang mit der Natur.


Die Jäger fordern uns zum Bogenschiessen auf. Neben den geübten Hadzabe sehen wir ganz schön alt aus. Fast jeder ihrer Pfeile bleibt in dem kleinen Stück Holz, das etwas entfernt auf dem Sandboden liegt, stecken. Wir hingegen haben schon unsere Mühe den Bogen richtig schön zu spannen.

Mit einem ihrer traditionellen Tänze verabschieden sich die sympathischen Buschleute von uns. Musik und Tanz sind ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens.


Besuch bei den Datoga

Nach diesem Abenteuer geht es weiter zum Stamm der Datoga.

Auch hier werden wir offen und sehr freundlichen Begrüsst und anschliessend in eine ihrer Hütten gebeten. Diese sind etwas grösser und lichtdurchfluteter als jene der Massai.

Während eine Frau auf einem Stein Mais mahlt, erzählt sie uns über das Leben und die Kultur der Datoga. 

Überraschenderweise interessierte sie sich auch für unsere Lebensweise und stellte uns viele Fragen. So wollte sie z.B. wissen:

- wie viel Kühe bezahlt man bei euch für eine Frau?

- wie viele Kinder habt ihr?

- welche Geschenke bekommt ihr, wenn ihr schwanger werdet und bei der Geburt eines Kindes?

Wir wurden sichtbar bemitleidet. Sie konnten nicht verstehen, dass bei uns die Frauen so "gar nichts" wert sind, dass wir nicht wie sie 10 Kinder haben (wollen) und dass wir von den Eltern keine Kühe geschenkt bekommen, wenn wir Kinder kriegen.

Im Anschluss wollte sie noch wissen, ob Annick eine Schwester hat, denn sie würde sehr gerne einen ihrer Söhne mit ihr verheiraten.

Einige Infos der Datoga

Die Datoga sind Hirten. Ähnlich wie für die Massai sind Kühe und Frauen  und weibliche Nachkommen ihr wichtigstes Hab und Gut.

Überhaupt ähnelt ihre Lebensform jener der Massai sehr. Auch sie leben in Familienverbänden und ein Mann kann mehrere Frauen haben (abhängig von seinem (Rinder-) Reichtum).

Die Datoga benötigen viel Land für ihre Rinderherden. Viele von ihnen sind sesshaft geworden und bewirtschaften Felder an Orten, welche einst zu den Jagdgebieten der Hadzabe gehört haben. Anders als die Massai ernähren sich die Datoga nämlich auch vom Ackerbau, von Gemüse und Früchten.

Die Datoga sind in der Schmiedekunst sehr geschickt. Sie stellen u.a. auch Pfeilspitzen für die Hadzabe her.

 

Mit ganz einfachen Mitteln arbeiten die Datog in ihrer (Freiluft-) Schmiede.

Sie stellen Schmuck aus Silber und zweifarbigem Kupfer her.  Aus grossen Nägeln fertigen sie mit sehr geschickt die schönen, filigranen Speerspitzen her.

Die ganze Familie scheint anwesend zu sein. Die Frauen sitzen zusammen auf einer Seite, unterhalten sich und verfolgen unser Verhalten. Die Kinder spielen im Sand und der Hausherr, ein älterer Mann, kommt ab und zu vorbei und schaut nach dem Rechten.

Wie schon die Hadzabe wirken auch die Datoga sehr authentisch. Sie machen einen stolzen und sehr zufriedenen Eindruck und ich habe in keiner Minute das Gefühl gehabt, dass sie mit unserem Leben tauschen möchten.

 


Diese zwei Besuche werden wohl für mich zu den grössten Highlights auf unserer Tansania - Reise gehören!

 


Kisima Ngeda Lodge

Nach den zwei Besuchen geniessen wir ein sehr leckeres und vielseitiges Morgen-/Mittagessen. Den Tag lassen wir dann in der am beinahe ausgetrockneten Eyasi-See gelegenen Kisima Ngeda Lodge ausklingen.

Am Seeufer verweilen wir über geraume Zeit und schauen dem ausgelassenen Fussballspiel der Kinder zu.

Ihr Vieh grast in der Zwischenzeit friedlich auf der kargen Grünfläche, welche zwischen uns und den spielenden Kindern liegt.

 

 

 

 

Zwischen dem Spiel wird Wasser aus einem Wasserloch oder einer Quelle getrunken.


Wieder einmal mehr geht ein bewegter, sehr eindrücklicher Tag vorbei. Die Erfahrungen und die wertvollen Begegnungen des heutigen Tages haben sich tief in mein Herz gebohrt. Diese Genügsamkeit, diese Gelassenheit und diese Demut gegenüber Natur und Mensch haben mich zutiefst berührt. Ich wünsche mir, dass ich ein Stück von all dem in die Schweiz und in unseren hektischen, oft von Nichtigkeiten besetzten Alltag mitnehmen und bewahren kann.


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